Zu Besuch bei Sankt Martin

Zu Besuch bei Sankt Martin

In der Rheinischen Post stand ein schöner Artikel von Anika Reckeweg über unser Vereinsmitglied Andreas Faßbender, den Sankt Martin von Beltinghoven.

Wer genau hinsieht, bekommt auf dem Weg durch den Straßenzug einen Hinweis, wo Sankt Martin wohnt. Bunte Laternen im Fenster sind das erste Indiz, ein Pferdeanhänger vor der Tür das zweite. Und tatsächlich. Bevor der Blick auf das Klingelschild fällt, hat der Beltinghovener Sankt Martin schon die Haustür geöffnet. In weißer Reiterhose und Stiefeln steht er lächelnd im Eingang und stellt sich mit seinem bürgerlichen Namen vor.

Normalerweise sind die Tage um Sankt Martin herum in Andreas Faßbenders Kalender blockiert: Spenden sammeln, Tüten packen, seine „Rüstung“ zurecht machen, Stiefel putzen. Zum 40. Mal ist das Mitglied des Sankt-Martins-Vereins Beltinghoven jetzt dabei.

Angefangen als Sammler über den Vorstand machte er schnell Karriere und brachte es erst zum armen Mann – oder Bettler – bis hin zum Sankt Martin. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Sankt Martin bleibt an seinem Ehrentag zu Hause. Ein schwerer Holztisch steht im Esszimmer, auf einer Truhe steht der Käfig von Kanarienvogel Pitti.

1980 sei er nach Beltinghoven gekommen, sagt Andreas Faßbender. „Meine Schwiegermutter sagte direkt, dann könnte ich auch helfen. Ich habe als Sammler angefangen, mich allen vorgestellt. Danach wussten alle, wer ich bin.“ Zumindest, wer Andreas Faßbender ist, denn bis er sich – zumindest einmal im Jahr – Sankt Martin nennen durfte, bis dahin dauerte es noch etwas.

Inzwischen ist der 62-Jährige als Sankt Martin voll ausgestattet. Seine Reitstiefel-Absätze klackern auf dem Boden, sein Mantel lässt sich teilen und wieder zusammenflicken, von seinem Vorgänger hat er ein handgefertigtes Holzschwert aus den 1990er-Jahren übernommen. „Sankt Martin ist mein Steckenpferd“, sagt Faßbender. Zumindest im übertragenen Sinn. Denn er hat auch ein echtes Pferd. Damit wird er zwar nicht auf den Bettler treffen, mit dem er seinen Mantel teilt. Aber damit kann er das ganze Jahr üben, um an Sankt Martin fest im Sattel zu sitzen.

„Ich reite schon seit meinem siebten Lebensjahr“, sagt Faßbender. Seine Tochter Maike reite Turniere und fahre das Sankt-Martins-Ross zu seinem Einsatzort. Wenn es um 18 Uhr losgehe, müsse man schon um 15 Uhr losfahren, damit alles pünktlich klappe. Das Sankt-Martins-Pferd kommt inzwischen aus Kaarst. „Mein Pferd Bella Bellissimo ist ein Turnierpferd. Das ist nicht so gelassen wie die Pferde, die im Zug mitgehen“, erklärt Faßbender.

Foto: Anika Reckeweg

Denn so ein Sankt-Martins-Zug ist nicht für jedes Pferd etwas, weiß auch Hanno Klinken. Der ehemalige Reitschulchef verlieh seine Schulpferde für Umzüge, bevor er vor einigen Jahren den Betrieb abgab. „Wir hatten damals ein berittenes Musikcorps aus dem Kölner Karneval, das in unserer Reithalle trainiert hat“, berichtet Klinken. „Da haben wir Pferde, die für so einen Zug in Frage kamen, mitgeritten.“ So konnten die Neulinge von den erfahrenen, entspannten Pferden lernen. „Wenn es zweimal nicht geklappt hat, dann hatte es keinen Sinn mit dem Pferd“, erklärt Klinken. Schon beim Kauf habe er darauf geachtet. „Man hat ja einen Blick dafür, wie sich ein Pferd zeigt. Und es kommt darauf an, was es erlebt hat. Ein Tier, das nur die Reithalle kennt und noch nie im Gelände eine flatternde Folie gesehen hat, kann bei so viel Neuem ja gar nicht entspannt bleiben.“ Der 64-Jährige kannte seine Tiere gut, berichtet er. „Wir hatten immer einen festen Bestand, alle Pferde sind bis zum Ende auf dem Hof geblieben.“ So konnte Sankt Martin seinen Mantel manchmal zu Pferde teilen, manchmal sei es aber besser abzusteigen.

Auch mit dem Feuer konnten sich nicht alle anfreunden. „Da muss man sich auf das Tier einstellen. Manche bleiben ein paar Meter entfernt stehen, andere gehen fast bis in die Flammen hinein.“ Das kennt auch Andreas Faßbender. „Als armer Mann musste ich manchmal vom Platz am Feuer aufstehen und zu Sankt Martin hingehen. Manchmal kann Sankt Martin aber auch zum Bettler kommen.“

Faßbender ist betrübt, dass er zumindest beim Umzug auf die leuchtenden Augen der Kinder verzichten muss. „Wenigstens konnte die Tütenverteilung stattfinden“, sagt Faßbender.

Den Menschen in seiner Umgebung möchte der Beltinghovener Sankt Martin trotzdem etwas schenken. Wenn er schon nicht seinen Mantel teilen kann, so wenigstens die Freude, dass alle an diesem Tag beieinander sind – und das mit besonders hübscher Dekoration an Türen und Fenstern zeigen.